Distributed Computing
ETH Zurich
No Billag

Diskussion No Billag

Hier die wichtigsten Argumente der Befürworter (noBillag) und Gegner ("proBillag") der Initiative, jeweils mit einem persönlichen aber hoffentlich dennoch möglichst objektiven Kommentar. Fangen wir an mit den Argumenten des Bundesrats (proBillag).

Behauptung (proBillag): Es wird nur noch produziert, was rentiert.

Kommentar: Dieses Argument ist richtig. Das heisst aber nicht, dass es keine anspruchsvollen politischen Sendungen mehr geben würde. Im rein privaten US Fernsehen gibt es viele Sendungen, die politisch und/oder anspruchsvoll sind: Last Week Tonight, 60 Minutes, Frontline, The Rachel Maddow Show, The Daily Show, The 11th Hour, 20/20, und viele mehr. Solange es ein Publikum für eine Sendung gibt, wird die Sendung sich auch finanzieren können. Schwierig ist es mit Formaten, die nur wenig Zuschauer haben. Diese Sendungen können auf YouTube ausgestrahlt werden.

Behauptung (proBillag): Die Sprachminderheiten der Schweiz werden kein Fernsehen mehr haben.

Kommentar: Das mag für die Rätoromanen vielleicht sogar stimmen, allerdings haben diese auch heute schon kein vollwertiges eigenes Fernsehprogramm. Die anderen Sprachregionen sind allerdings gross genug für mindestens einen Fernsehsender. In den USA hat jedes kleinere Einzugsgebiet seine Fernsehsender. Es gibt in den USA insgesamt ca. 1800 Fernsehsender, auf die Schweiz gerechnet wären das ca. 40 Sender. Vielleicht werden einige dieser Sender keine vollwertigen Sender sein, sondern einfach z.B. die Deutschen Nachrichten für den Schweizer Markt durch eine Schweizer Nachrichtensendung ersetzen. Solche "Schweizerfenster" gibt es auch jetzt schon.

Behauptung (proBillag): Werbegelder fliessen ins Ausland.

Kommentar: Wer investiert, und einen Fernsehsender gründet, kann Werbegelder einnehmen. Das können Schweizer oder auch ausländische Unternehmer sein. Es wird auch Schweizer Unternehmer geben, die einsteigen.

Behauptung (proBillag): Ein kleines Land wie die Schweiz braucht ein vielfältiges Medienangebot.

Kommentar: Vielfalt heisst eben gerade, dass es kein dominantes Medien-Unternehmen wie die SRG gibt. Diese Behauptung ist eher ein Argument für NoBillag als für ProBillag.

Behauptung (proBillag): Mit 365 Franken sind wir sehr konkurrenzfähig.

Kommentar: Ein ausgesprochen zynisches Argument. Genausogut könnte man sagen, dass 500 Franken oder 1000 Franken "konkurrenzfähig" sind. Es kommt halt darauf an, mit was man vergleicht. In vielen Ländern kostet das Fernsehprogramm gar nichts. Sind 365 Franken für einen ärmeren Haushalt wirklich wenig? Könnte man auch mit 200 Franken pro Haushalt gutes Fernsehen machen? Vielleicht sogar mit 100 Franken? Es gibt YouTube-Kanäle, die mit viel weniger Geld ein anspruchsvolles Angebot produzieren. Ausserdem gibt es auch noch Bücher, Zeitungen, und Zeitschriften.

Andere populäre ProBillag-Argumente sind:

Behauptung (proBillag): Die werbefreien Radiosender werden sterben.

Kommentar: Ja.

Behauptung (proBillag): NoBillag = TeleBlocher.

Kommentar: Man will mit diesem Spruch wohl signalisieren, dass man gegen die SVP ist, und damit auf der "richtigen Seite" steht. Ich denke, dass verschiedene Medien versuchen werden, die SRG-Lücke zu füllen. Die meisten werden sich in der politischen Mitte ansiedeln, und möglichst neutral berichten, um so möglichst wenige Zuschauer zu verärgern. Es ist nicht so, dass man Milliardär sein müsste, um eine Fernsehstation zu gründen. So teuer ist die Technik schon lange nicht mehr. Viele privat finanzierte Fernsehsender (z.B. CNN) versuchen neutral zu berichten, auch wenn der Gründer oder Geldgeber (z.B. Ted Turner) links ist. Falls nach der Annahme von NoBillag wirklich nur noch Christoph Blocher (oder seine Tochter) bereit wäre, einen Fernsehsender zu betreiben, dann würden sich garantiert eher linke Geldgeber finden, die einen Konkurrenz-Fernsehsender gründen. So viel sollte man den Schweizer Linken schon zutrauen. Es gibt auch nicht nur die Weltwoche bei den Print-Medien, sondern z.B. auch die WoZ.

Behauptung (proBillag): Was machen die vielen arbeitslosen SRG-Mitarbeiter?

Kommentar: Viele werden bei den neu entstehenden privaten Stationen unterkommen; diese werden gerne auf schon bekannte Gesichter zurückgreifen. Andere werden neue Jobs finden.

Behauptung (proBillag): Die Tagesschau auf SRF ist viel besser als die entsprechenden Angebote der privaten Schweizer Sender.

Kommentar: Die privaten Schweizer Sender arbeiten mit einem Mikrobudget, nicht zu vergleichen mit dem Milliardenbudget der SRG, die Mehrheit dieses Budgets geht an Informations-, Kultur- und Bildungformate. Wenn das Monopol der SRG endet, werden sich neue professionelle Fersehsender etablieren, die wahrscheinlich mit der Qualität der SRG mithalten können.

Behauptung (proBillag): Ich würde Sendung X zu sehr vermissen.

Kommentar: Falls Sendung X ein Publikum hat, würde diese von einem der neuen privaten Sender gesendet, oder vom werbefinanzierten SRG-Nachfolger. Das gilt insbesondere für populäre Sport- und Unterhaltungssendungen, diese werden auch in Zukunft garantiert ausgestrahlt. Auf diesem Gebiet konkurrenzieren die Privaten sogar die grossen Deutschen Fernsehanstalten.

Behauptung (proBillag): Die prominente Person Y empfiehlt, die Initiative abzulehnen.

Kommentar: Tritt Y manchmal bei der SRG auf, und kassiert eine Gage? Oder ist die Person sonst mit der SRG verbandelt, z.B. wie die Swisscom und Ringier (Blick) über die unheimliche staatlich-private Werbeallianz Admeira?

Behauptung (proBillag): Private Fernsehsender haben kein Niveau.

Kommentar: Wer Wert auf Niveau legt, sollte den Fernseher besser abstellen. Im Internet und vielen Büchern findet man mehr Niveau. Ebenso auf YouTube oder Netflix, wenn man Wert auf bewegte Bilder legt.

Behauptung (proBillag): Ich mag keine Werbung.

Kommentar: Stimmt, privates Fernsehen hat etwas mehr Werbung. Bei der SRG spielen die Werbeeinnahmen nur ca. ein Viertel des gesamten Budgets ein. Man müsste also entweder mehr Werbung senden, oder die Kosten reduzieren. Es hilft, Sendungen zeitversetzt zu schauen.

Behauptung (proBillag): Ein Land braucht einen Staatssender.

Kommentar: Es gibt viele Länder auf der Welt, die ohne Staatssender auskommen. Ausserdem finde ich, dass Fernsehen nicht die Aufgabe des Staates ist. Wenn es die SRG nicht schon gäbe, käme wohl heute niemand auf die Idee, nun einen staatlichen Fernsehsender zu initiieren. Überhaupt lässt sich dank der Initiative vortrefflich diskutieren, welche Leistungen ein Staat übernehmen sollte! Hier die Antwort des geschätzten Autors Henryk M. Broder: "Eine verlässliche Müllabfuhr. Ein intaktes und unabhängiges Justizwesen. Ein Erziehungssystem, das jedem eine faire Chance gibt, ohne das Leistungsprinzip aufzuheben. Kontrolle über das Gewaltmonopol. Und irgendeine Stelle, die sich um den Erhalt und den Ausbau der Infrastruktur kümmert: Strassenbau, Verkehrswesen, Luftraumüberwachung, Internet. Das wäre im Prinzip alles."

Behauptung (proBillag): Es gibt kein vergleichbares Land ohne Fernsehgebühren.

Kommentar: Kanada kennt keine TV-Gebühren. Kanada ist zweisprachig, bezüglich Bruttosozialprodukt aber etwa doppelt so gross wie die Schweiz. Kanada hat 7 landesweite TV-Stationen, dazu viele regionale. Mit CBC hat Kanada ein Äquivalent zur SRG, mittels Werbung finanziert. Das "Aboriginal Peoples Television Network" ist eine Station für sprachliche Minderheiten, sogar die "Kanadischen Rätoromanen" werden also bedient. Quelle: Wikipedia

Behauptung (proBillag): Nur SVP-Wähler unterstützen NoBillag.

Kommentar: Das ist kein inhaltliches Argument. Ausserdem war sogar die SVP (wie halt das gesamte politische Establishment) gegen die Initiative. Die SVP hat sich abgesehen von einigen Exponenten nur für den Gegenvorschlag von 200 Franken pro Jahr stark gemacht.

Schauen wir uns noch die wichtigsten Argumente der Gegenseite an.

Behauptung (noBillag): Ich konsumiere kein Fernsehen, also möchte ich auch nicht dafür bezahlen.

Kommentar: Kann man verstehen. Zumal es technisch sehr einfach wäre, Programme verschlüsselt auszustrahlen. Wenn die SRG tatsächlich so wertvoll und beliebt ist, dann werden wohl genügend Haushalte freiwillig 365 Franken pro Jahr zahlen! Mit diesem Geld lässt sich die SRG in Zukunft sicher weiterhin betreiben, fast ohne Einbussen zum Status Quo. Allerdings sollten man Haushalte und Firmen, welche die SRG nicht konsumieren, auch nicht finanziell belasten.

Behauptung (noBillag): Die SRG ist zu linkslastig.

Kommentar: Das kann ich nicht beurteilen, dafür konsumiere ich viel zu wenig SRG. Ich vermute aber, dass die politische Richtung der SRG ziemlich genau die Regierung der Schweiz (die Parteien des Bundesrats) widerspiegelt. Das wiederum halte ich allerdings für ein viel grösseres Problem als ein eventueller Linksdrall: Die SRG berichtet wohl in den meisten Fällen genau so, wie es die Regierung gerne hätte. Mit anderen Worten, die SRG betreibt Hofberichterstattung (oder: Propaganda). Das ist so ziemlich genau das Gegenteil dessen, was ich mir wünschen würde. Die "vierte Gewalt" (die Medien) sollten den Mächtigen (Hochfinanz, Politik, etc.) auf die Finger klopfen, und nicht exakt das senden, was diese gerne sehen und hören. Für eine funktionierende direkte Demokratie brauchen wir Medien, die kritisch sind. Die Mächtigen sorgen schon dafür, dass sie gehört werden. Ich möchte dieses Bonmot zitieren: "Whatever a patron desires to get published is advertising; whatever he wants to keep out of the paper is news."

Behauptung (noBillag): Die SRG sollte über Steuern finanziert werden.

Kommentar: Würde die SRG über Steuern finanziert, dann würde sie direkt von der Regierung (die erst die Steuern eintreibt) bezahlt. Dann wäre offensichtlich, dass die Regierung bestimmt, was gesendet wird. Jetzt ist dieser Zusammenhang eher sublim. Welcher Staat kontrolliert die Medien am stärksten? Genau: Nordkorea. Wären die Initiativ-Gegner immer noch ProBillag, wenn sie in Polen oder Ungarn leben würden? Ich finde: Eine Regierung sollte die Medien nie kontrollieren. Es ist exakt die Aufgabe von Medien, kritisch über die Regierung zu berichten. Es macht mich schon sehr nervös, dass sich die Schweizer Politiker so für die SRG ins Zeug legen. Wäre die SRG tatsächlich regierungskritisch, dann würden unsere Politiker nicht Sturm gegen NoBillag laufen, sondern sich im Gegenteil freuen, dass bald Schluss ist mit diesen mühsamen kritischen Journalisten!

Behauptung (noBillag): Wenn die Initiative abgelehnt wird, wird sich nie etwas ändern.

Kommentar: Nach der knappen RTVG-Abstimmung hat die Politik versprochen, den Leistungsauftrag zu der SRG zu überprüfen. Passiert ist wenig. Auch ein Gegenvorschlag wird nicht zur Abstimmung gebracht. Es ist also anzunehmen, dass auch nach der NoBillag-Abstimmung nichts passieren wird, insbesondere wenn die Initiative klar abgelehnt wird. Und so sieht es momentan aus.

Habe ich etwas vergessen? Liege ich irgendwo falsch? Ich freue mich über eine Email mit Anregungen.